Unsere Herzensfälle
Eine Auswahl von Fällen, die besonders intessesant sind.
Lotti
Lotti ist eine hübsche, scheue 6 jährige Kaninchen Dame, die bei uns ihre Impfquarantäne (Zeit von der Impfung bis zum Aufbau des Impfschutzes) verbringen sollte. Da sie bisher nur einmal geimpft wurde vor einigen Wochen (dort auch untersucht wurde!), ging ich von einem fitten, gesunden Kaninchen aus. Aber sie zeigt sich als extrem scheu und sehr mäkelig und bei genauen beobachten fiel uns schon auf, dass etwas nicht stimmt.
Zu jeder Impfung gehört eine Allgemeinuntersuchung. Mit 6 Jahren gehört Lotti zu den älteren Kaninchen und gerade bei Weibchen kommen dann Gebärmutterprobleme häufig vor. Bei der Allgemeinuntersuchung fiel mir dann eine etwa faustgroß derbe Umfangsvermehrung auf (so heißt medizinisch erst einmal alles, was nicht da sein sollte). Wir haben geröngt und Blut genommen, nicht, dass da noch eine Überraschung zu Tage tritt und haben schon im Röntgen gesehen, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt. Lotti hatte eine kalzifizierte Umfangsvermehrung im Bauch. Das kann jetzt einiges sein, daher hat ein sehr netter Kollege einmal mit dem Ultraschall genauer nachgeschaut und der Verdacht eines Gebärmuttertumors war dann sehr stark. Im Blutbild zeigte sich eine heftige Entzündung, was nicht so ganz zu einem Tumor passt. Lotti wurde mit Schmerzmitteln und einem Antibiotikum abgedeckt und innerhalb einer Woche wurde sie auch zunehmend schmerzhaft, das zeigt sie trotz Schmerzmitteln deutlich. Die Kastration ging einfach und besser, als wir dachten, aber sie war deutlich schwieriger, als eine normale Kastration, denn Tumore haben eine ganz unangenehme Eigenart : Sie werden mit Blut versorgt und es sind meist sehr dicke Blutgefäße. Der Tumor ist 6x4x5cm groß und wiegt knapp 100g (viel bei gerade 1.8kg Gesamtgewicht). Zum Glück dürfen wir den Tumor auch einschicken, es steht einiges im Raum und wir wollen schon wissen, wie es prognostisch aussieht. Das Ergebnis zeigt einen bösartigen Tumor, wie es leider bei den Weibchen häufig vor kommt. Die Ränder sind sauber, an einer Stelle war er leider offen, das haben wir in der OP bereits gesehen.
Traurig ist, dass bereits vor einem Jahr erkannt worden ist, dass Lotti etwas an der Gebärmutter hat, die Schmerzen hätte man ihr ersparen können. Wieder ein weibliches Kaninchen, das Schmerzen und Leiden (das ist es nun einmal), hatte. Ein Grund, warum ich für die Kastration weiblicher Kaninchen bin. Danke an Burg Nagezahn e.V., dass Lotti nun in ein schmerzfreies neues Leben starten darf.
Schnurrsula
Es ist der 12.11.2019, eine gute Freundin und Kollegin (Tierarztpraxis Jacob) schreibt mir morgens eine Nachricht, dass sie eine traurigen Fall hat. Eine Fundkatze mit großer offener Wunde. Sie weiß nicht wohin. Meine TFA meinte spontan, warum wir sie nicht nehmen.
Ja gut, warum nicht?
Die kleine Katze ist ein Perserkatze, die leider nicht bei ihrer Finderin bleiben konnte. Bei meiner Bekannten hat sie nahezu keine Vermittlungschancen und so ist die kleine Maus kurzerhand am 16.11.2019 zur Berlinerin geworden.
Kaum bei meiner Freundin angekommen, kam Miez (derzeit noch namenslos an) und schmuste in beeindruckender Lautstärke los. 4 Stunden war ich in der Praxis, 4 Stunden lag sie auf meinem Schoß und schmuste.
Aber:
Sie war nicht gesund. Sie hatte eine große klaffende Wunde, vermutlich ein Biss, den wir versorgt haben und ein Zahn musste raus (Finanziere ich über die eigene Tasche!). Aber erst einmal darf sie ankommen und zunehmen, sie wiegt derzeit nur 2,9kg. Schnurrsula, wie wir sie später genannt haben hat sich in der Zeit super entwickelt, innerhalb einiger Wochen auf 3,5kg zugenommen und ließ sich anstandslos die Wunde jeden Tag säubern. Das Fressen hat sie am Anfang so schnell inhaliert, dass wir 4 x täglich kleine Portionen gefüttert haben, damit sie keinen Blähbauch bekommt.
Schlussendlich durfte Schnurrsula ohne Wunde am 22.12.2019, pünktlich zu Weihnachten, in ihr neues Zuhause: Einzelprinzessin (zeigte sich hier komplett unverträglich), Wohnungskatze, aber 24 Stunden Rund-um-Service, sie ist die Nummer eins und genießt ihr Leben sichtlich.
Minime
Es ist November 2020, fast genau ein Jahr nach Schnurrsula (Fundkatze im November 2019, von einer lieben Kollegin übernommen : Tierarztpraxis Jacob) gab es einen erneuten Hilferuf. Wieder meine tolle Kollegin, wieder eine Fundkatze. Gesundheitlich aber deutlich gebeutelter als Schnurrsula.
Es handelt sich um eine kleine Europäisch Kurzhaar Katze, ca. 6 Wochen jung. Hochgradig Flohbefall (der ist bereits unter Kontrolle), Katzenschnupfen, verwurmt, viel zu dünn und anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Menschen. Aber wer kann es ihr verdenken? Minime durfte rund 8 Wochen die Praxis unsicher machen, hat viele Tiere und viele Menschen kennen lernen dürfen und wir konnten uns ein Bild machen, wohin die kleine Katze am liebsten ziehen möchte. Sie hat uns sehr deutlich gemacht, dass sie nach draußen gehen mag, auf andere Katzen gerne verzichten möchte und jemanden braucht, der viel mit ihr spielt Sie hat nach einiger Suche das perfekte Zuhause gefunden und wir sehen sie weiterhin ab und an.
Heinrich
Im April 2021 haben wir für Burg Nagezahn e.V. einen Notfall zur Pflege aufgenommen. Es handelte sich um ein adultes männliches Kaninchen mit furchtbaren Schneidezähnen, er war viel zu dünn und ausgetrocknet.
Wir haben erstmal die Schneidezähne geschliffen, so dass er selbstständig Futter aufnehmen kann, dazu haben wir ihn dreimal am Tag mit Brei gepäppelt und er wurde mit Schmerzmitteln versorgt. Die Backenzähne sahen ebenfalls unschön aus und diese haben wir geröntgt, dazu stand noch eine Kot- und Blutprobe an. Nach einigen Tagen haben wir dann bei Heinrich in einer OP alle Schneidezähne entfernt und die Backenzähne eingeschliffen. Am Anfang hatte Heinrich schon zu tun, er musste sich erst einmal an das andere Maulgefühl gewöhnen. Mittlerweile hat er sich toll gemacht, ist umgezogen und durfte eine sehr liebe Dame kennen lernen, die auch bei uns in Behandlung war (weitere Fortschritte gibt es bei Burg Nagezahn e.V.: https://www.facebook.com/burgnagezahn). Wir freuen uns sehr, dass sich die Mühen gelohnt haben und Heinrich nun schmerzfrei leben kann.
Ganz wichtig: alle Neuzugänge müssen kontrolliert werden, ob sie Parasiten (Milben, Würmer oder Kokzidien) haben, damit sich vorhandene Tiere nicht anstecken können. Das gilt für alle Gruppentiere.
Meerschwein mit Bissverletzung
Im Mai 2021 kam ein Meerschweinchen mit knapp 300g aus Außenhaltung mit einer blutenden Wunde am Bauch. Auf dem ersten Blick war ich mir nicht sicher ob Brustkorb oder Bauchhöhle, für Brustkorb hat es aber zu gut geatmet. Also erst einmal Schmerzmittel und stabilisiert. Abends nach der Sprechstunde noch in Narkose gelegt und geschaut wohin das Gebilde zieht. Es ist ein Teil des großes Netzes aus der Bauchhöhle gewesen. Wir haben eine große Wunde gefunden, den dreckigen Teil abgebunden, abgesetzt und die Bauchorgane weiter kontrolliert. Dann wurde die Bauchwunde mehrschichtig verschlossen. Leider fand die sehr junge Dame die klammern super und hat sich nachts alle raus gebastelt, so dass wir heute morgen nochmal nähen durften. Zum Schutz der Naht hat sie einen Bauchverband an bekommen.
Wie konnte so eine Wunde entstehen?
Vermutlich durch eine Katze und vermutlich durch die Krallen. Das Gehege muss immer so weit gesichert werden, dass ein Räuber auch seine Pfoten nicht hinein stecken kann. Bei den meisten Außenställen ist das Gitter viel zu grob und muss zusätzlich durch Volierendraht (Kästchen mit 1x1 cm) gesichert werden.
Katzen mit Fremdkörpern
Heutiger Notfall, kurz vor Ende der Sprechstunde ein Anruf, dass es der Katze nicht gut geht. Freigänger und seit sie nach Hause gekommen ist spuckt sie und versucht zu erbrechen. Der Verdacht eines Fremdkörpers war schnell da, die Katze beim Abtasten des Halses sehr empfindlich und der Rachen sehr rot war. Also musste Katze einmal in Narkose (Feierabend hin oder her) und wir machen uns auf die Suche. Im Rachen hinter dem weichen Gaumen wurden wir fündig, der Grashalm war sehr steif, was das hinaus basteln sehr schwierig gestaltete. Solches hartes Gras wird gerne im Fellwechsel gefressen, klappt dann oben an den Gaumen und bleibt durch die feinen Haare im Gras am Gaumen kleben. Wir können uns alle vorstellen wie unangenehm das wird. Einer der kleinen Zipfel reichte bis hinter die Nasenflügel in die Nase hinein... Ein langer Weg. Die gute war schnell wieder wach und durfte ohne Gras in der Nase nach Hause.
Der rote Kater kam ebenfalls mit plötzlichen Niesanfällen, bei ihm haben wir den Grashalm so an der Nase bereits erkennen können, hier konnten wir ohne Narkose gleich 2 Grashalme ziehen. Hier muss man schauen, ob die Katze das kurze festhalten mit macht oder ob sie aus Unsicherheit beißen möchte. Zu unserem Schutz muss deswegen manchmal die Katze kurz schlafen gehen.
Der letzte Kater kam aus dem Freigang abends nach Hause und hat am morgen plötzlich das Auge so zugekniffen. Wir haben einmal gründlich geschaut und die Zecke am oberen Augenlid gefunden, die sich dort festgesaugt hatte. Zecken oder Grannen im Auge schauern gerne, deshalb sollten die Augen einmal mittels Fluoreszin (einem Farbstoff extra für das Auge) eingefärbt werden. Ist das Auge beschädigt, setzt sich der Farbstoff auf die Hornhaut und man kann das Ausmaß des Schadens beurteilen. Guter Nebeneffekt: Man kann gleichzeitig auch kontrollieren, ob der Tränen-Nasen-Kanal durchgängig ist. Hier gab es antibiotische Augentropfen und ein Gel für die Augen und nach einer Woche war wieder alles wunderbar verheilt.
Kaninchen Jungtier mit Kokzidien als Notfall
Ein neuer Notfall, es ist Februar 2021, ich hatte wegen eines Notfalls bereits eine Nachtschicht hinter mir. Das kleine Kaninchen ist 8 Wochen alt, eigentlich zu jung, um bereits ins neue Zuhause zu ziehen, das Immunsystem ist noch sehr anfällig und auch für die Sozialisierung wäre es schöner, wenn noch länger Kontakt mit den Elterntieren bestehen bleibt. Es frisst wenig bis gar nicht, wird gepäppelt. Bei uns auffällig ist die niedrige Temperatur, bei 36.4°C muss man ehrlich sein, das Kaninchen ist in Lebensgefahr (unter 38°C haben Heimtiere Untertemperatur). Bei so jungen Tieren muss man immer an Parasiten denken. Bei Hund und Katze ist meistens Durchfall das Hauptsymptom, beim Kaninchen selten, weit häufiger ist Inappetenz und v. a. Untertemperatur. Idealerweise sollte man eine Kotprobe untersuchen, hier kam bisher nichts. Bei einem Tesa-Abklatsch vom Po fiel nichts auf, es kann aber auch sein, dass wir gerade nichts am Po heften hatten. Mein Verdacht ist ganz stark eine Kokzidiose, weil das Alter und Vorgeschichte passen.
Kokzidien sind Einzeller, die Im Darm von vielen Tierarten vorkommen können. Sie sollten eigentlich nicht im Darm sein und können zu Verdauungsstörungen, Übelkeit, Inappetenz und dadurch Aufgasungen führen. Hier ist das schwierig: wir müssen das kleine 750g leichte Wesen erst einmal stabil bekommen um das Hauptproblem zu finden. Prognose ist sehr vorsichtig.
Warum sind Heimtiere so anstrengend: Kaninchen haben einen Stopfmagen, es muss oben was rein, damit unten was raus kommt, dazu fallen sie unglaublich schnell von der Temperatur.
Für mich die 2. Nachtschicht. Ja man könnte das Tier in eine Klinik schicken, aber das ist bei den Heimtieren ein schwieriges Thema. Meine TFA hat netterweise angeboten die Nacht zu übernehmen, aber nein, meine Entscheidung, meine Nacht. Leider hatte das kleine Kaninchen die Nacht nicht überlebt. Es hat sich zum Abend hin stabilisiert und ein wenig selbst gefressen, dann ist der Kreislauf plötzlich zusammen gebrochen. Reanimationsversuche sind erfolglos geblieben.
Meine Bitte: Bitte haltet neue Tiere in Quarantäne und NICHT gleich zu bereit vorhanden Tieren dazu. Sammelt immer über 3 Tage eine Kotprobe und lasst sie untersuchen, um Kokzidien auszuschließen. Ein Tier alleine lässt sich leichter behandeln und sauber halten, als große Gruppen.